11. August 2006 Usability-Normung: Die neue DIN EN ISO 9241-110 "Grundsätze der Dialoggestaltung"

Warum wurde die ursprüngliche Norm ISO 9241-10 überarbeitet?

Alle ISO-Normen werden im Fünfjahres-Rythmus auf Aktualisierungsbedarf hin durch die Internationale Standardisierungsorganisation (ISO) überprüft. So wurde auch die Norm ISO 9241-10 von 1995 (deutsche Fassung DIN EN ISO 9241-10 von 1996) im Jahr 2000 überprüft und Bedarf für Aktualisierungen vom zuständigen Normungsgremium ISO/TC159/SC4/WG5 identifiziert. Die Überarbeitung der Norm selbst nahm durch die erforderlichen internationalen Review- und Konsensprozesse insgesamt 5 Jahre in Anspruch. Seit 01.04.2006 liegt nun DIN EN ISO 9241-110 als Nachfolger der DIN EN ISO 9241-10 öffentlich vor.

Warum eine neue Nummer?

Die Normenreihe ISO 9241 "Ergonomics of human-system interaction" (Deutsch "Ergonomie der Mensch-System-Interaktion") bestand zunächst aus 17 Teilen. Im Laufe der Jahre wurde sowohl Bedarf für die Entwicklung weiterer Teile entdeckt sowie die Integration von Normen, die zwar außerhalb der Normenreihe entstanden sind (z.B. ISO 13407, ISO 14915), jedoch inhaltlich defacto in die Normenreihe ISO 9241 gehören. Vor diesem Hintergrund entschied die ISO, die Normenreihe ISO 9241 mit einem neuen Nummerierungsschema zu versehen, um eine aus Lesersicht schlüssige neue Struktur für die Normenreihe bereitzustellen. In dieser neuen Struktur werden dann auch die zurzeit in der Entstehung befindlichen Normen DIN EN ISO 9241-151 "Gestaltung von Benutzungsschnittstellen für das World Wide Web" und DIN EN ISO 9241-171 "Richtlinien für die Zugänglichkeit von Software" integriert werden.

Was ist inhaltlich neu in der ISO 9241-110?

Der Geltungsbereich der Norm wurde erweitert, sodass jetzt nicht nur Software im Fokus steht, sondern "interaktive Systeme" aller Art, also auch Hardware. Der Titel der Normenreihe DIN EN ISO 9241 wurde von "Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten" geändert auf "Ergonomie der Mensch-System-Interaktion", um die frühere Einschränkung auf Büroarbeit aufzulösen.
Der Begriff der "Benutzungsschnittstelle" (englisch "User Interface") ist nun endlich klar und international definiert als "Alle Bestandteile eines interaktiven Systems (Software oder Hardware), die Informationen und Steuerelemente zur Verfügung stellen, die für den Benutzer notwendig (!) sind, um eine bestimmte Arbeitsaufgabe mit dem interaktiven System zu erledigen."
Es wurde ein Framework aufgenommen (siehe Abbildung 1), der die Anwendung der Norm beschreibt. Hierzu enthält die Norm auch ein durchgängiges Beispiel.

DIN EN ISO 9241-110

Was ist beibehalten worden?

Grundsätzlich wurde die DIN EN ISO 9241-110 bei der Überarbeitung nicht "auf den Kopf gestellt", sondern vielmehr systematisch verbessert und präzisiert. Die sieben folgenden Grundsätze der Dialoggestaltung (umgangssprachlich auch "Dialogprinzipien" genannt) Aufgabenangemessenheit; Selbstbeschreibungsfähigkeit; Erwartungskonformität; Lernförderlichkeit; Steuerbarkeit; Fehlertoleranz; Individualisierbarkeit sind nach wie vor in der Norm enthalten, ihre Definitionen wurde jedoch geschärft. So ist Selbstbeschreibungsfähigkeit jetzt definiert wie folgt: "Ein Dialog ist in dem Maße selbstbeschreibungsfähig, in dem für den Benutzer zu jeder Zeit offensichtlich ist, in welchem Dialog, an welcher Stelle im Dialog sie sich befinden, welche Handlungen unternommen werden können und wie diese ausgeführt werden können." Es wurde kein "neues" Prinzip aufgenommen, ein Bedarf hierfür konnte nicht erkannt werden.

Fazit

Die Empfehlungen an die Gestaltung von Benutzungsschnittstellen, die den eigentlichen Inhalt der DIN EN ISO 9241-110 bilden, wurden umfassend überarbeitet und mit umfassenden Beispielen sowohl aus dem Softwarebereich als auch dem Hardwarebereich ausgestattet. Dieses State-of-the-Art Know How gehört in jedes Hochschul-Curriculum und in jedes Softwareentwicklungshandbuch.